Man hört es immer wieder, ist es doch gleichermaßen paradox und unvorstellbar: warmes Wasser soll deutlich schneller als kaltes Wasser gefrieren. Die Wissenschaft beschäftigt sich schon seit einiger Zeit mit diesem Phänomen, doch was ist tatsächlich dran am Mythos des schnellfrierenden Wassers? Wir haben etwas recherchiert.
Warmes Wasser zu Eis gefrieren lassen
Die einfache Antwort auf diese Alltagsfrage ist die, dass es keine eindeutige Antwort gibt! Manch einer wird nun wahrscheinlich denken: Wie können wir das bis heute nicht wissen? Immerhin hätte doch jeder Mensch die Möglichkeit, es zu Hause selbst auszutesten. Das sollte somit in der Theorie doch ein recht simples Experiment sein, wie man meinen möchte.
Doch tatsächlich wurde dieses Experiment bereits von vielen brillanten Menschen auf der ganzen Welt durchgeführt. Zu einem eindeutigen Ergebnis führten diese Untersuchungen jedoch nicht, da das warme Wasser in manchen Fällen schneller gefror als das kalte und es in wieder anderen Versuchen genau umgekehrt war.
Die Tatsache, dass die genauen Umstände eines solchen Experiments schwer rekonstruierbar sind, machen es besonders schwierig, die Ergebnisse auch nach der Durchführung besser nachvollziehen zu können. Übrigens variiert der Gefrierpunkt von Wasser je nach seinem Reinheitsgrad. So gefriert destilliertes Wasser erst bei Temperaturen von -70 Grad Celsius oder sogar weniger!
Mpemba-Effekt erklärt
Die Beobachtung, dass heißes Wasser schneller gefriert als kaltes Wasser, wird als Mpemba-Effekt bezeichnet. Dieser ist nach dem tansanianischem Wissenschaftler Erasto Mpemba benannt, der das Phänomen im Jahre 1963 bemerkte, als er gerade einmal dreizehn Jahre alt war und mit seinen Klassenkameraden Eis herstellte.
Mpemba stellte fest, dass die mit heißer Milch hergestellte Eismischung schneller einfror als die aus kalter Milch. Er war jedoch nicht der Erste, der diese Behauptung aufgestellt hatte. Schon Aristoteles sagte das Gleiche im Jahr 4 v. Chr. – allerdings war hier selbstverständlich noch nicht von Eiscreme die Rede. Doch auch der berühmte Philosoph spielte mit dem Gedanken, heißes Wasser einfrieren zu können.
Kritik an der Theorie
Auch der Forscher René Descartes und der Maler Francis Bacon glaubten, dass heißes Wasser schneller gefriert als kaltes Wasser. Dennoch sind viele Wissenschaftler heutzutage nicht davon überzeugt, dass der Mpemba-Effekt wirklich existiert.
Die Problematik ergibt sich auf dem Folgenden: unabhängig vom Wasser (z.B. Leitungswasser) wird bei einem Test von zwei Proben immer eine Probe zuerst einfrieren. Das liegt daran, dass das Verhältnis der Verunreinigungen im Wasser in jeder Probe etwas anders sein wird. Unterschiede in der Zusammensetzung, Größe und Position dieser Verunreinigungen können den Gefrierpunkt von Wasser um mehrere Grad variieren lassen.
Heißes Leitungswasser kann vor kaltem destilliertem Wasser gefrieren, da die Verunreinigungen im Leitungswasser dafür sorgen, dass es bereits bei einer höheren Temperatur gefriert, als das destillierte und kühlere Wasser. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass das heiße Wasser zuerst gefriert, weil es heiß ist.
Verdunstung & Co. – weitere Theorien
Gehen wir davon aus, dass der Mpemba-Effekt tatsächlich real ist und wärmeres Wasser wirklich schneller gefriert, so gibt es neben der Kritik aber auch viele unterstützende Theorien, warum das passieren könnte. Eine sehr bekannte Theorie, die Vielen am wahrscheinlichsten erscheint, ist die, dass ein Teil des heißen Wassers verdunstet, wenn es abkühlt. Dies würde bedeuten, dass es folglich weniger Wasser zum Einfrieren gibt, was wiederum nicht so lange dauern sollte. Hierfür wurde der Mpemba-Effekt jedoch unter einer luftabgeschlossenen Atmosphäre getestet, bei der das Austreten von verdunstetem Wasser verhindert wird.
Andere Forscher, die sich mit dem Effekt beschäftigt haben, behaupten das Phänomen wäre auf Konvektionsströmungen zurückzuführen, d.h. auf die Art und Weise, wie sich das Wasser bzw. seine Moleküle während der Erwärmung bewegen. Wieder andere sprechen von kovalenten Bindungen oder davon, dass heißes Wasser weniger gelöstes Gas enthalte, was möglicherweise ebenfalls ausschlaggebend sein könnte. Als einhundertprozentig sicher und unwiderlegbar hat sich aber noch keine dieser Theorien erwiesen, so bleibt es bis dato wohl ein ungelöster Mythos.
Selbst ausprobieren
Um selbst auszuprobieren, ob warmes Wasser zu Eis wird, bevor es kaltes tut, kann man einfach etwas Wasser in den Gefrierschrank einlagern und nachschauen, was passiert. Wer weiß, vielleicht bekommt jemand das Rätsel auf diesem Wege eines Tages gelöst. Wir haben den Versuch selbst gestartet und wollten warmes Wasser einfrieren lassen. Das Ergebnis: das kalte Wasser gefror schneller als das warme.